Deoiridh – Verborgene Welt

Ich habe die Idee für eine Art Roman, die ich schreiben möchte. Das hier ist das erste Kapitel. Die nächsten folgen hoffentlich bald.

Ich würde mich über eure Meinungen, Anmerkungen und Kommentare freuen.

Viel Spaß beim Lesen. LG Sabrina

  1. Kapitel

Mein Blick war auf den Asphalt gerichtet, als ich die Hauptstraße der Kleinstadt entlang fuhr. Seitlich blitzten die Reihenhäuser mit den fein säuberlich gestutzten Vorgärten und den weißen Zäunen auf und verschwanden wieder. In dieser Stadt hatte alles seinen Platz und seine Ordnung. Das war schon immer so.

Schon von weiten erkannte man das Haus meiner Tante. Mit seinem hohen Hecken, den abgewetzten Zaun und verwilderten Pflanzen passte es nicht in die Optik des Ortes. Es war das letzte Grundstück der Straße. Dahinter lag der Wald. Niemand verirrte sich je hier her.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich endlich an meinem Ziel an. Ich parkte am Straßenrand. Im Radio sagten sie gerade das Wetter durch, als ich den Motor abstellte.
Es sollte regnen.
Angespannt umklammerte ich das Lenkrad und spürte die warmen Sonnenstrahlen des Frühlings auf der Haut.
Endlich fand ich den Mut, auszusteigen. Ich sog die klare Luft tief ein und blickte in den wolkenlosen Himmel. Der Wetterbericht hat mal wieder unrecht.

Das Gartentor gab ein lautes Quietschen von sich, als ich es öffnete. Noch etwas, das sich nicht geändert hatte.
Der Weg wurde von Pflanzen und Unkraut fast verschluckt, sodass ich mich hauptsächlich durch meine Erinnerung leiten ließ.
„Frau Flaith, nehme ich an?“, sagte ein Mann im dunklen Anzug, der vor der Haustüre wartete.
„Deoiridh Flaith, ja genau. Aber sagen Sie ruhig Didi.“
„Mein Name ist Edgar Richter. Ich war der Anwalt Ihrer Tante Arely.“
„Ich weiß, wir haben telefoniert. Sollen wir hinein?“
„Folgen Sie mir.“

Vor der Türe flackerten kurz Bilder meiner Vergangenheit auf.
Ich musste in etwa sieben Jahre alt gewesen sein. Ich lief hinein und rief meine Tante, weil ich im Vorgarten etwas gesehen hatte.
So schnell sie kamen, verblassten die Bilder auch wieder. Beim Überschreiten der Türschwelle durchfuhr mich ein Schauer. Eine dunkle Vorahnung keimte in mir auf. Ich schob den Gedanken beiseite und folgte Edgar ins Wohnzimmer.
„Setzen Sie sich. Ich hole nur die Unterlagen heraus.“
Der Anwalt deutete auf das Sofa. Zielstrebig steuerte ich darauf zu und setzte mich. Ich wollte hier nicht länger sein, als nötig.
„Ihre Tante und ich waren gute Freunde, wussten Sie das? Sie war eine bemerkenswerte Frau“, sagte Edgar, während er einen Stapel Akten auf den kleinen Tisch legte.
„Sie hat Sie nie erwähnt“, antwortete ich.
„Wirklich? Nun, vielleicht hatte sie ihre Gründe. Arely liebte ihre Geheimnisse. Hatten Sie beide viel Kontakt?“
Ich überlegte kurz, wie viel ich Edgar sagen konnte.
„In den letzten Jahren nicht mehr. Ich bin ausgezogen und dann gab es nur vereinzelte Telefonate. Ihr Anruf hat mich daher sehr überrascht“, gestand ich wahrheitsgemäß.
„Tatsächlich? Ihre Tante hat viel von Ihnen erzählt. Wie Sie als junges Mädchen waren. Sie schwärmte regelrecht von Ihnen. Ich bin also nicht überrascht, dass sie Ihnen ihr Haus vererbt hat. Dieses Erbe war allerdings an eine Bedingung geknüpft. Na, wo haben wir es denn?“
Edgar durchwühlte die Papierstapel und verursachte ein heilloses Durcheinander. Dabei vielen ihm einige Briefe herunter.
„Warten Sie, ich helfe Ihnen“, sagte ich und sammelte die Umschläge wieder ein.
„Sehr freundlich. Danke. Ich bin aber auch ungeschickt. Was wollte ich sagen? Ach ja! Es hat mich tief getroffen, als Ihre Tante vor einem Jahr verschwunden ist. Ich konnte es mir nicht erklären. Ich habe sie gesucht, wissen Sie? Leider ohne Erfolg. Man hat sie dann vor etwa drei Wochen für tot erklärt. Ein furchtbares Ende, finden Sie nicht auch? Arely hat so etwas nicht verdient. Andererseits, wer hat das schon?“
Mein Fuß wippte ungeduldig auf und ab. Edgar war nicht nur ganz schön ungeschickt, er neigte wohl auch zu ausschweifenden Erzählungen.
„Herr Richter, ich möchte ja nicht unhöflich sein und verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebte meine Tante und ich vermisse sie auch, aber können Sie zum Punkt kommen? Sie sagten etwas über eine Bedingung?“
„Tut mir leid. Natürlich. Ha! Hier ist es. Nun gut, dies ist das offizielle Testament Ihrer Großmutter. Sie hat ausdrücklich darum gebeten, dass die Verlesung bei ihr zu Hause stattfindet und, dass nur Sie und ich anwesend sein sollten. Dies ist zwar unkonvenzionell, aber Arely war schließlich eine gute Freundin.“
Edgar griff nach seinem Brieföffner und zog ein handgeschriebenes Schriftstück heraus.

Ich, Arely Flaith, vermache nach meinem Tod mein gesamtes Vermögen und meinen gesamten Besitz meiner Nichte, Deoiridh Flaith.
Jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie die gesamte erste Nacht nach Verlesung dieses Schreibens in diesem Haus verbringt.
Sollte sie die Bedingung nicht erfüllen wollen oder können, geht alles an …

Edgar hatte aufgehört zu lesen.
„Was ist? Stimmt etwas nicht? Wie geht der Satz weiter?“, fragte ich ihn.
„Nunja, die Sache ist die, das folgende Wort ist verwischt. Ich kann es leider nicht entziffern. Es tut mir wirklich leid.“
„Und was bedeutet das?“
Ich sackte im Sofa zurück.
„Wenn Sie die Bedingung Ihrer Tante nicht erfüllen sollten, wird wohl alles hier versteigert und der Erlös geht an das Bundesland.“
„Was? Aber das geht doch nicht!“
Ich fuhr hoch. Das durfte auf keinen Fall geschehen. Es stimmte, meine Tante liebte ihre Geheimnisse und das nicht ohne Grund. Sie besaß Gegenstände, Tränke und Schriften, die in den falschen Händen schlimme Dinge anrichten konnten.
Es blieb mir also keine Wahl. Ich müsste die Nacht im Hexenhaus verbringen. Ich musste zurück in meine Vergangenheit, bei der ich dachte, ich hätte davor fliehen können.

Es hatte mich viel Mühe gekostet, Edgar aus dem Haus zu bekommen. Meine Nerven lagen blank und ich hätte diesen Mann nicht länger ertragen können. Genau genommen, hätte ich niemanden ertragen können.
Ich saß mit einer Tasse Tee in der Küche. Diese Kräutermischung hatte Arely mir immer zubereitet, wenn ich aufgewühlt war. Er gehörte zu den Dingen, die ich vor sieben Jahren mit in mein neues Leben genommen hatte. Damals schwor ich, alles hinter mir zu lassen. Ich hatte es satt, wie die Leute hier einen behandelten und über einen redeten. Ich hatte es satt, von den anderen Kindern als Hexenkind, Dämon und Ausgeburt des Bösen bezeichnet zu werden.
Als ich fünf war, hätte ich sie beinahe alle in Frösche verwandelt.
Mit einem Teil hatten sie nämlich Recht.
Ich war eine Hexe.

Der Tee beruhigte mich und ich versuchte, die Ereignisse des Tages zu verarbeiten. Am liebsten wäre ich zurück in meine Wohnung in Köln gefahren, um mich in meine Arbeit zu vertiefen. Irgendeinen Artikel gab es immer zu schreiben. Stattdessen saß ich hier und wurde mit meiner Vergangenheit konfrontiert. Andauernd tauchten Szenen vor mir auf, in denen ich als Mädchen durchs Haus lief. Das war mir zu viel.

Ich ging vor die Türe und hielt mein Handy in die Luft. Im Haus gab es kein Empfang, was an der stark konzentrierten Magie dort lag.
Ich schrieb meinem Freund Eric eine Nachricht, dass ich erst morgen zurückkäme. Im Anschluss wählte ich die Nummer des Verlages. Es klingelte dreimal, bevor jemand abhob.
„KölnExklusiv, Sie sprechen mit Frau Müller. Was kann ich für Sie tun?“, erklang die Stimme auf der anderen Seite der Leitung.
„Mila? Hier ist Didi. Es tut mir wirklich leid, aber die private Angelegenheit hier dauert etwas länger. Kannst du mich entschuldigen?“, sagte ich gerade heraus.
„Didi, der Chef ist in einem Meeting. Ich werde es ihm ausrichten. Weißt du, wann du zurück sein wirst? Er wartet auf den Artikel.“
„Ich denke, ich werde morgen wieder da sein. Und sag ihm, den Artikel bekommt er bis morgen früh per E-Mail. Danke, Mila“, sagte ich und beendete das Telefonat.
Was hatte meine Tante sich nur dabei gedacht? Sie wusste, dass ich mich gegen die Magie entschieden hatte. Warum also diese Bedingung?
Meine Nase begann zu jucken. Das tat sie immer, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zuging.
Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht und ich hatte eine Nacht, um herauszufinden, was.

von Sabrina Osmers

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