Gespiegelte Dunkelheit

Gespiegelte Dunkelheit

Passend zur dunklen Jahreszeit hab ich mich im Rahmen meines Schreib-Studiums an einer unheimlichen Geschichte versucht. Der kursive Anfang war vorgegeben, der Rest entstammt meiner Fantasie. Ich hoffe die Geschichte gefällt euch.

Es war eine düstere Novembernacht und ich war allein Zuhause. Der Hund hatte schon ein paar Mal angeschlagen, als er gegen Mitternacht endlich Ruhe gab. Ich wälzte mich noch eine Weile hin und her, hörte das alte Haus ächzen und knarren und war gerade eingeschlafen, als ich spürte, dass es ganz hell im Zimmer geworden war. Ich öffnete die Augen und sah den Vollmond zwischen den Wolken durch das offene Fenster scheinen. Er tauchte mein Zimmer in weißes Licht und die Möbel warfen gespenstische Schatten an die Wände.

Ich stieg aus dem Bett und ging zum Fenster hinüber. Mit einem tiefen Atemzug ließ ich die kalte Nachtluft in meine Lungen. Die Kälte und das fahle, kühle Licht des Mondes ließen mich frösteln. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Ich schloss das Fenster und zog mit einem Ruck die Vorhänge zu.

Im selben Moment fing der Hund erneut an zu bellen. Ich seufzte genervt und beschloss nach dem Tier zu sehen, um es zu beruhigen.

Da das Licht im Flur defekt war, spendete mir lediglich ein kleines Lämpchen in einer Steckdose Licht. Im Halbdunkeln ging ich den Gang entlang. Unter meinen nackten Füßen knarrten die alten Holzdielen unnatürlich laut im sonst stillen Haus, sodass mich jeder meiner Schritte zusammen zucken ließ. Auch der Hund gab kein Mucks mehr von sich. Ein ungutes Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Ich begann in meinem dünnen Nachthemd zu frieren. Kurz blieb ich stehen und überlegte, ob ich nicht lieber umkehren sollte, als ich eine Bewegung im Spiegel neben mir ausmachte. Langsam drehte ich den Kopf. Eine schattenhafte Gestalt mit leuchtend roten Augen starrte mir im Spiegel entgegen. Vor Schreck entfuhr mir ein lauter Schrei. Mein Herz klopfte wie wild gegen meinen Brustkorb. Ich wich vom Spiegel zurück, wandte den Kopf ab und sah mich panisch um. Außer mir war niemand zu sehen. Ich atmete tief durch, um meinen donnernden Herzschlag zu beruhigen. Stocksteif stand ich im Flur, indem lediglich mein unregelmäßiger Atem zu hören war. Nach ein paar Augenblicken fasste ich meinen Mut zusammen und blickte erneut in den Spiegel.
Diesmal sah ich in meine eigenen Augen. Keine Gestalt, nichts Unheimliches, was mir entgegen starrte. Die Müdigkeit musste mir einen Streich gespielt haben. Erleichtert setzte ich meinen Weg fort.

In der Küche empfing mich unser Hund mit einem tiefen Knurren und eingezogenem Schwanz.

„Ganz ruhig, Kecks. Alles ist gut. Ich bin´s Lisa. Wovor hast du Angst?“, versuchte ich den Hund zu beruhigen, doch als ich meine Hand ausstreckte, machte mein sonst so liebenswürdiger Hund einen Satz und schnappte nach mir. Ich schaffte es noch, meine Hand weg zu ziehen, bevor er sie zu fassen bekam.

„Kecks! Was ist denn los mit dir?“, fragte ich mehr mich selbst, als den Hund. Ein erneutes Knurren war meine Antwort. Doch diesmal wurde es von einem anderen Geräusch hinter mir begleitet. Einem Klang, den ich nicht mit Sicherheit definieren konnte. Er hatte etwas von einem kehligen Knurren und gleichzeitig ähnelte es einem Schrei, der in meinem Kopf nachhallte. Vor Schreck zuckte ich zusammen. Mein Herz donnerte erneut von innen gegen meinen Brustkorb. Ein Gefühl der Dunkelheit machte sich in mir breit. Es war, als ob ein Pfeil von Kälte und Wut durch mich hindurch schoss und alles Glück mit sich nahm.

In einer Bewegung griff ich nach einem der Messer aus dem Messerblock auf der Küchenzeile und drehte mich schwungvoll um.

Was ich dann sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

Eine schwarze Gestalt stand vor mir und sah mich mit leuchtenden Augen an. Starr vor Angst blickte ich in das glühende Rot.

Meine Kehle schnürte sich zu und mir stockte der Atem. Ich schmeckte das Salz meiner Tränen auf der Zunge. Irgendwie schaffte ich es, das Messer nicht fallen zu lassen.

„Wer bist du?“, schrie ich mit gebrochener Stimme.

Mit zitternden Händen hielt ich dem Wesen das Messer entgegen.

Ohne zu antworten stand es jedoch da und fixierte mich mit den leuchtenden Augen.

Intuitiv wich ich langsam zurück, auch wenn es hinter mir keinen Ausweg gab.

Nur Keks winselte irgendwo in einer Ecke.

Das Wesen schien meinen jämmerlichen Fluchtversuch zu merken und kam bedrohlich näher. Ihm folgte das Gefühl der Dunkelheit, das immer stärker in mir heran wuchs.

Es gab kein Entkommen.

Mein Verstand setzte aus und ich lief schreiend mit der Klinge voran auf das Wesen zu. Das Messer streifte es am Arm und die Gestalt verwandelte sich in eine schwarze Rauchwolke, die sich um mich herum verteilte und mich letztendlich verschlang. Eine eiskalte Hand griff nach meinem Herzen und ließ mich innerlich gefrieren. Ich war umgeben vom Nichts.

Schweißgebadet wachte ich auf. Durch den Spalt der Vorhänge konnte ich die warmen Sonnenstrahlen des Tages erkennen. Ich dachte an die vergangene Nacht zurück. Der Traum war so intensiv. Noch immer spürte ich seine Auswirkungen. Ich hatte sogar den salzigen Geschmack meiner Tränen auf der Zunge. Erschöpft stand ich auf.

Im Bad wusch ich mein Gesicht mit heißem Wasser, um die Spuren der Nacht zu beseitigen und meine eiskalte Haut etwas zu beleben. Die Kälte dieses Traumes haftete mir noch immer an.

Langsam richtete ich mich auf. Beim Blick in den Spiegel stockte mir den Atem.

Ich sah mich, wie ich verzweifelt versuchte, mich aus dem Spiegel zu befreien. Meine Hände waren blutig und schlugen panisch von innen gegen das Glas. Meine Augen waren verquollen und ich hatte einen stummen Schrei auf den Lippen.

Gleichzeitig sah ich mein Spiegelbild;

Eine schwarze Gestalt mit glühenden Augen.

Ich musste nicht erst auf meinen Arm sehen, um zu wissen, dass dort ein tiefer Schnitt prangte, genau an der Stelle, an der ich das Wesen in dieser Nacht verletzt hatte.

Reglos betrachtete ich meine Spiegelbilder.

Meine helle und meine dunkle Seite.

Irgendwann drehte ich mich schließlich um und ging hinunter, begleitet von der Dunkelheit.

von Sabrina Osmers

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